Leuchtturm in Köln-Ehrenfeld: Was steckt dahinter? – Günter Wallraff für Belebung
Weit und breit kein Meer in Sicht – und statt Möwen höchstens Tauben. Dennoch erhebt sich ein Leuchtturm 44 Meter hoch über Köln. Er gilt als einziger Leuchtturm in Nordrhein-Westfalen und einer von wenigen Binnen-Leuchttürmen in ganz Deutschland.
In Moritzburg in Sachsen gibt es noch einen, der im 18. Jahrhundert als Kulisse für eine nachgestellte Seeschlacht entstand, und in Lindau am Bodensee einen echten für die Schifffahrt. Das Kölner Exemplar liegt aber nicht etwa am Rhein, sondern weit stadteinwärts im Stadtteil Ehrenfeld. Der Turm ist aus dunklem Backstein und steht auf einem weiß gestrichenen Sockelgebäude. Drumherum herrscht Gewimmel.
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Musik-Clubs, Kneipen, Restaurants und originelle kleine Läden wechseln sich in bunter Folge ab. Warum es den Turm gibt, weiß so gut wie niemand. „Der war schon immer hier“, ist die typische Reaktion. Das stimmt auch, denn der Turm ist ziemlich alt: Er wurde im 19. Jahrhundert zur Zeit des Kaiserreichs gebaut, genauer im Jahr 1894.
Leuchtturm in Köln hört auf den Namen „Helios-Turm“
Damals war Ehrenfeld ein junges Arbeiterviertel mit vielen neu gegründeten Industrieunternehmen. Das bedeutendste war die Helios Electricitäts-Aktiengesellschaft, benannt nach dem griechischen Sonnengott Helios. Diese Firma war zeitweilig führend bei der Herstellung von elektrischen Leuchtfeuern. Sie bestückte Leuchttürme in aller Welt.
In diesem Zusammenhang erbaute sie auch den Turm, der offiziell Helios-Turm heißt. Zur Frage nach dem genauen Sinn kursieren zwei Erklärungen, eine nüchterne und eine abenteuerliche. Die abenteuerliche zuerst: Demnach war der Turm ursprünglich für das ostafrikanische Sultanat Sansibar bestimmt. Zwischenzeitlich sah es mal so aus, als ob Sansibar eine deutsche Kolonie werden würde, doch dann ging es an die Briten. Daraufhin errichtete Helios den Turm einfach in Köln, so die Überlieferung – die wohl ins Reich der Legende gehört.
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Die nüchterne Erklärung ist nicht ganz so schön: Demnach diente der Turm als Testanlage, und war außerdem ein Werbegag. „Das dürfte die zutreffende sein“, sagt Ralf Liptau, wissenschaftlicher Referent im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland.
Leuchtturm in Ehrenfeld ist „einfach nur da“
Die goldenen Zeiten von Helios währten allerdings nicht lange: Bald wurde das Unternehmen von AEG und Siemens überflügelt und ging pleite. Der Turm blieb aber stehen und wurde im Zweiten Weltkrieg durch ein günstiges Schicksal von den Bomben verschont, die Köln in Schutt und Asche legten. Die gläserne Laterne auf der Spitze ging zwar verloren, wurde in den 90er Jahren aber rekonstruiert. Inzwischen war der Turm auch unter Denkmalschutz gestellt worden.
Eine Funktion hatte er weiterhin nicht. Er war einfach nur da. „Meine These ist, dass er aber aufgrund seiner markanten Form schon relativ früh ein identitätsstiftender Faktor war“, sagt Liptau. „Es gab ja auch sonst nicht viel in Ehrenfeld – keinen Marktplatz, kein altes Rathaus. Und deshalb orientierte man sich an dem weithin sichtbaren Turm – ähnlich wie im Ruhrgebiet, wo sich Emotionen an Fördertürmen, Hochöfen und Gasometer festmachten.“
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Vom Werbegag zum Wahrzeichen von Köln-Ehrenfeld
Heute ist der im übertragenen Sinne schräge Turm das unbestrittene Wahrzeichen eines gefragten Szeneviertels. Sogar in Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ ist er im Hintergrund als Teil der abendlichen Skyline zu sehen und schickt sein Scheinwerferlicht über die Dächer der Metropole.
In der Realität ist es mit dem Licht allerdings so eine Sache. Mal funktioniert es, wenn auch etwas funzelig, dann wieder hüllt sich der Turm in nächtliches Dunkel. Vergangenes Jahr leuchtete er im Rahmen einer Künstleraktion plötzlich in Blau und Gelb, den Farben der Ukraine.
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Besichtigen kann man den Turm nicht, und das finden viele Anwohnerinnen und Anwohner jammerschade – auch der bekannteste Ehrenfelder Günter Wallraff. „Es ist das Wahrzeichen Ehrenfelds und sollte nicht vor sich hingammeln“, sagt der Enthüllungsjournalist und Erfolgsautor. „Mit diesem kuriosen Turm können sich wirklich alle hier identifizieren, und deshalb sollte er unbedingt belebt werden.“
dpa