Explosion in Ratingen: Gutachter berichtet im Prozess – „Es roch überall nach Kraftstoff“
Im Prozess um den mutmaßlichen Mordanschlag auf Einsatzkräfte in Ratingen bei Düsseldorf hat ein Gutachter das Inferno rekonstruiert und dabei neue Details offenbart. Er sei noch am Tattag in der Wohnung im zehnten Stock des Hochhauses gewesen, kurz nachdem der Brand gelöscht worden war, berichtete der 55-jährige Brandsachverständige Christoph Winter am Mittwoch dem Düsseldorfer Landgericht.
Überall sei ihm der Geruch von Kraftstoff entgegengeschlagen. Im Flur der Wohnung sei ab 90 Zentimetern Höhe alles verbrannt gewesen und sogar der Putz abgeplatzt. Die Temperaturen hätten den Spuren zufolge über 150 Grad gelegen und kurzfristig 1000 Grad Celsius erreicht.
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In der Diele habe er eine Ablagerung auf dem Fußboden entdeckt, die sich beim Umdrehen als geschmolzener roter Zehn-Liter-Plastikeimer entpuppt habe. Dieser sei vermutlich mit vier bis sechs Litern Benzin gefüllt gewesen. Das Benzin sei aus etwa eineinhalb Meter Entfernung auf die am schwersten verletzte Polizistin und die hinter ihr stehenden Einsatzkräfte geschüttet worden.
Vor Gericht muss sich ein 57-jähriger Ratinger wegen neunfachen versuchten Mordes verantworten. Er schweigt zu den Vorwürfen. Bodycams der Polizei hatten das Geschehen aufgezeichnet.
Opfer „von unten nach oben“ in Flammen
Die Dämpfe hätten eine explosionsfähige Atmosphäre gebildet, die Zündung habe einen Feuerball verursacht, so der Gutachter. Der Angeklagte dürfte das Benzin mit einem Textil entzündet haben, das er zuvor wohl mit Grillanzünder getränkt habe. Die Kappe eines Flüssig-Grillanzünders habe auf dem Wohnzimmertisch gelegen.
Möglicherweise habe er das Textil an einem Kleiderbügel oder ähnlichem gehalten. So sei es ihm gelungen, selbst unverletzt zu bleiben. Durch die mit Kraftstoff benetzte Dienstkleidung hätten die Opfer dochtartig gebrannt – „von unten nach oben“. „Dadurch waren Kopf und Gesicht besonderen Belastungen durch Flammen und Hitze ausgesetzt.“
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Nachteilig für die Einsatzkräfte habe auch der tunnelartige Laubengang vor der Wohnung gewirkt. „Die Flamme hatte nur einen Ausgang: Die ersten vier Meter haben sich Flammen und Einsatzkräfte geteilt.“ Für einen technischen Defekt als Brandursache habe er keine Anhaltspunkte gefunden. Weil es überall nach Brandbeschleuniger gerochen habe, sei der eingesetzte Brandmittelspürhund unbrauchbar, weil total überfordert, gewesen: „Wie auf der Tankstelle“.
Ein Rollstuhl mit dem Skelett der toten Mutter
Die Spiegel im Badezimmer und ein Fenster seien mit schwarzer Plastikfolie abgeklebt gewesen. „Mein Eindruck: Die Wohnung sollte von außen uneinsichtig sein.“ So etwas kenne er nur von Messi-Wohnungen. In einem vermüllten Raum, laut Lageplan ein Kinderzimmer, habe der Rollstuhl mit dem Skelett der toten Mutter des Angeklagten gestanden. Daneben seien in einem Schrank fünf Benzinkanister mit Resten von Kraftstoff verstaut gewesen.
Auf dem Balkon sei ebenfalls Müll gelagert worden. In der Küche sei er auf größere Vorräte etwa an Nudeln gestoßen. Der Angeklagte habe vermutlich auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen, dort sei eine Schlafstelle gewesen.
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Das Gericht zeigte Filmaufnahmen des Geschehens, aufgenommen von einem Nachbarhaus. Sie zeigen, wie der Angeklagte seelenruhig auf dem Balkon steht, die Ellenbogen auf das Geländer gestützt, während hinter ihm seine Wohnung brennt und Rauch aufsteigt. Den auf einem Nachbarbalkon postierten Spezialkräften der Polizei zeigt er den Mittelfinger.
Zwei Polizisten, vier Feuerwehrleute, zwei Rettungssanitäter und ein Notarzt wurden am 11. Mai zum Teil lebensgefährlich verletzt. Acht der neun Opfer würden absehbar bleibende Schäden zurückbehalten, hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Das Gericht hat bis zum 11. Januar kommenden Jahres neun Verhandlungstage für den Strafprozess angesetzt.
dpa